Case #6: Predictive Analytics besser als mit KI
- Marco Schlimpert

- 11. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Aug.

Was passiert, wenn trotz Predictive Analytics das Unvorhersehbare eintritt?
Die Schönheit mathematischer Modelle
Ich habe Maschinenbau studiert. In Kombination mit Wirtschaft. An der Technischen Universität lernten wir: Für jedes technische Problem gibt es eine Lösung. Deswegen hatten wir auf dem Curriculum ganz viel Mechanik, Mathematik, Thermodynamik und Physik. Mir haben diese Fächer viel Spaß gemacht – und auch noch heute finde ich sie spannend.
Die Logik ist einfach: Man beobachtet in einem System experimentell die Input- und Output-Daten, findet die Zusammenhänge heraus, erstellt ein Modell, verifiziert das Ergebnis und stellt sogar Prognosen für zukünftige Ergebnisse auf.
Beispiel: Erwärmung eines Metallstabes.
Ich halte einen Metallstab an einem Ende in der Hand und erhitze den Stab auf der einen Seite mit 1.000 Grad Celsius. Ich möchte nun wissen, wie lange es braucht, bis ich den Stab fallen lasse, weil er zu heiß wird. Ein Beispiel für die Anwendung eindimensionalen Wärmeleitgleichung:

Wobei T die Temperatur ist, t die Zeit und x die Länge des Stabes. Alpha ist der sogenannte Wärmeleitkoeffizient des Metalls, also wie gut das Metall die Wärme leitet – ein experimentell nachgewiesener Wert.
Das ist die Theorie. Es gibt aber auch die Praxis. Diese stimmt oft nicht mit der Theorie überein, nach dem Motto: Theorie, Praxis und Realität. Es gibt immer wieder etwas Unvorhergesehenes.
Was macht man nun? Man berücksichtigt das mit der sogenannten Residualgröße (oder der Realität). Schon sieht die Formel so aus:

Wunderbar, damit haben wir eine perfekte Formel! Lasst uns ganz viele Daten sammeln, diese mit hohen Kapazitäten berechnen und schon können wir Vorhersagen durchführen.
Dieses Beispiel ist mir deshalb so präsent, weil es eine echte Prüfungsfrage an der Uni war. Die Zusatzaufgabe: Visualisiere die Temperaturverteilung mit einem C++ Programm.
Damals war es für mich einfach nur ein Beispiel unter anderen. Ich hätte nie gedacht, dass ich 25 Jahre später dieses Beispiel für die Erklärung von KI-Zusammenhängen und Intuition nehmen würde.
Das Problem zwischen Theorie und Realität ist die Praxis
Die genannte Formel beinhaltet den Wärmeleitkoeffizienten. Dieser ist ein experimentell ermittelter Wert. Er ist nicht berechnet – denn um ihn zu ermitteln, haben die aktuellen Methoden der Physik nicht ausgereicht. Heute weiß man: Diesen kann man mit quantenphysikalischen Methoden beschreiben. Macht man aber nicht, da er für den „täglichen" Gebrauch gut genug ist. Jedoch: Er ist nicht exakt.
Die Residualgröße (oder die Realität) ist mathematisch nicht eindeutig bestimmbar. Wenn sich etwas an den äußeren Umständen ändert, weshalb auch immer, kann man es mathematisch nicht darstellen. Somit haben wir bereits in dieser einfachen Gleichung zwei Elemente, die nicht mit 100% Genauigkeit bestimmbar sind.
Wenn einfache Physik kompliziert wird, was passiert dann in der Wirtschaft?
In der Tat ist dieses Beispiel im technischen Sinne vergleichsweise sehr trivial. Stellen wir uns nun die Wirtschaft vor, oder die Geschäftstätigkeiten einer Firma. Dort gibt es noch viel mehr Zusammenhänge, die viel komplexer sind. Man kann natürlich auch dort solche Formeln erstellen und diese mit hohen Rechnerleistungen berechnen lassen. Oftmals sind die Ergebnisse sehr überzeugend. Jedoch berücksichtigen sie eines nie – so genau die Methoden auch sein wollen: das Unvorhersehbare, die Realität. Oder jene Informationen, die wie intuitive Geistesblitze aus der Zukunft kommen.
Die besten Predictive Analytics-Modelle, so gut auch die unterschiedlichen Daten sind, so hoch auch die Rechnerleistungen sind, sie müssen immer mit der Residualgröße „R" rechnen.
Nehmen wir als Beispiel den Kapitän eines großen Kreuzfahrtschiffes
Er hat alle Daten, von den Fahrdaten bis jetzt bis hin zum Wetterradar. Er kann auf Basis dieser Daten mit hoher Wahrscheinlichkeit die weitere Route gut vorhersehen. Was ist jedoch, wenn ein unbekannter Wasserfall plötzlich kommt? Oder ein Eisberg? Seine Intuition gibt ihm die Route vor.
Sie meinen vielleicht zurecht: Ein Wasserfall mitten auf dem Meer – das passiert doch nie. Der Eisberg war schon mal da und hat zu einer Katastrophe geführt. Jedoch, nehmen wir den Wasserfall als Metapher für: Pandemie, Zölle, Energiekrise, Inflation, geopolitische Themen. Fällt Ihnen noch etwas ein?
Kein Predictive Analytics, keine KI der Welt kann dies vorhersehen. Denn: Sie verarbeiten Daten aus der Vergangenheit oder Modelle der Vergangenheit. Was wäre, wenn sich diese Daten jedoch ändern? Was wäre, wenn die Modelle der Vergangenheit nicht mehr auf die Zukunft anwendbar sind? Das passiert täglich, und das nennt sich wissenschaftliche Forschung. Denn: Eine Theorie, ein Modell ist nur gültig, bis das Gegenteil bewiesen wird.
Was tun? Intuition als systematischer Prozess: Die systemische Aufstellung als Alternative
Während Predictive Analytics ausschließlich aus Vergangenheitsdaten lernt, ermöglicht die systemische Aufstellung den Zugang zu emergenten, zukünftigen Dynamiken – sie erfasst Informationen, die aus der Zukunft kommen. Oder anders ausgedrückt: die Intuitionen jenseits der Zahlen, Daten und Fakten.
Die systemische Aufstellung ist ein systematischer Prozess als Ergänzung für Predictive Analytics für das Unvorhersehbare. Sie macht zukünftige Dynamiken und emergente Muster sichtbar, bevor sie sich in messbaren Daten manifestieren.

Ein Praxisbeispiel: Die Budgetaufstellung für ein Telekommunikationsunternehmen
Ein Telekommunikationsunternehmen kämpfte mit ihrer jährlichen Budgetplanung. Trotz detaillierter Marktanalysen und ausgefeilter Forecasting-Modelle lagen die Prognosen regelmäßig daneben. Die Excel-Tabellen wurden immer komplexer, die Planungszyklen immer länger – aber die Treffsicherheit nicht besser.
In dieser Situation entschieden wir uns für eine systemische Aufstellung. Statt endloser Zahlenkolonnen stellten wir die wesentlichen Geschäftselemente auf: die vier Schlüsselmärkte des Unternehmens, die Produkte, die verfügbaren Ressourcen und die strategischen Optionen.
Das verblüffende Ergebnis: Die Aufstellung offenbarte sofort, dass nicht die detailliert geplanten Kostenpositionen oder die Umsätze der einzelnen Produkte entscheidend waren, sondern die Dynamik zwischen den vier Schlüsselmärkten. Ein bestimmter Markt, der bisher wenig Aufmerksamkeit erhalten hatte, wirkte als Katalysator für alle anderen. Diese Erkenntnis war in keiner Datenanalyse sichtbar gewesen.
Die Aufstellung dauerte nur eineinhalb Stunden, lieferte aber tiefere Einsichten als wochenlange Zahlenanalysen. Das Ergebnis: Eine komplette Neuausrichtung der Ressourcenallokation – etwas, das der traditionelle Budgetprozess nie offenbart hätte. Sowie: welcher Umsatz ist realistisch und welches Ergebnis entsteht daraus.
Anders als Excel-Tabellen, die oft nur von Controller vollständig verstanden werden, machte die systemische Aufstellung die Dynamiken des Geschäfts für alle Beteiligten unmittelbar erfahrbar. Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen sahen und spürten buchstäblich, wie ihre Entscheidungen zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen.
Künstliche Intelligenz x Intuitive Intelligenz = außergewöhnlicher Erfolg
Mathematische Modelle – und KI basiert auf solchen Modellen – werden niemals die Zukunft vollständig vorhersagen können. Die systemische Aufstellung kann es.
Die besten Predictive Analytics-Systeme arbeiten mit Daten der Vergangenheit und Annahmen, die sich jederzeit ändern können. Die Residualgröße oder Realität R bleibt ihr ewiger blinder Fleck. Sie erfassen das Messbare, aber verpassen das Emergente.

Die systemische Aufstellung hingegen erfasst emergente Dynamiken, Informationen aus dem System jenseits analytischer Sensorik sowie deren Abhängigkeiten, bevor sie sich in Kennzahlen manifestieren. Sie macht den blinden Fleck, das "Unberechenbare", sichtbar und wandelt es in strategische Handlungsoptionen um.
Die Unternehmen der Zukunft werden nicht zwischen konventioneller Predictive Analytics und systemischen Aufstellungen wählen müssen. Sie werden beide Methoden intelligent kombinieren: Die Präzision der Mathematik für das Messbare und die Weisheit der Systeme für die Information aus der Zukunft.
Bereit für den nächsten Schritt?
Entdecken Sie, weshalb die systemische Aufstellung die ideale Ergänzung für Ihre aktuellen Datenmodelle in Ihrem Unternehmen ist. Sie hilft Ihrem Unternehmen nicht nur verschiedene Zukunfts-Szenarien durchzudenken, sondern auch die wahrscheinlichste Zukunft vorherzusehen - noch lange bevor sie als IST-Zahlen erscheint.
Als erfahrener Experte für Leadership Transformation und Mentor unterstütze ich Sie dabei, den blinden Fleck zu identifizieren - bevor die Szenarien eintreten. Es bedarf lediglich: Open Mind, Open Heart und Open Will. Und die Systemische Aufstellung in Form der Erkundung zukünftiger Ereignisse.
Gemeinsam schaffen wir "Clarity beyond Strategy".






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